Vita

Ulrich Wedel, gebo­ren 1955, war schon immer berauscht von der Kunst, ent­schied sich dann jedoch, Archi­tek­tur zu stu­die­ren und zu prak­ti­zie­ren. Dies führ­te in sei­ner Male­rei zu einem eige­nen Stil, der sich im Jah­re 2012 aus dem abs­trakt Figu­ra­ti­ven zu eher kon­struk­ti­vis­ti­schen Aus­drucks­form wan­del­te. Er stell­te in Ein­zel- und Grup­pen­aus­stel­lun­gen im In- und Aus­land aus. 

Ulrich_Wedel

Über Ulrich Wedel

Prof. Dr. Die­ter Ron­te, Kunst­his­to­ri­ker / ‑kura­tor

Gegen den Strich

Ulrich Wedel fin­det spät wie­der zur Male­rei, die er seit sei­ner Jugend immer ger­ne und aus­gie­big betrie­ben hat, bis auf die inten­si­ven Jahr­zehn­te sei­nes Berufs­le­bens als Kon­struk­teur im Bereich der Architektur.

In sei­nen Fünf­zi­gern stellt er die Fra­gen nach dem Leben neu. Er liest viel, viel Phi­lo­so­phie, die im Gespräch zuneh­mend eine grö­ße­re Rol­le spielt, trotz sei­nes lus­ti­gen und hei­te­ren Wesens. Die Male­rei ist ihm dabei wie­der ein stän­di­ger Beglei­ter gewor­den. Jedes Bild ist sozu­sa­gen ein visu­el­les Sinn­bild für neue Wahr­hei­ten, für ande­re Erleb­nis­räu­me, ande­re Rei­sen und exis­ten­ti­el­le Fra­gen. Die Male­rei wird zur far­bi­gen Phi­lo­so­phie, die sich von allen nar­ra­ti­ven For­men ent­fernt hat. Dadurch fällt auch die aus­sa­gen­de und hin­wei­sen­de iko­no­gra­phi­sche Bin­dung weg. Die Bil­der sind in sich selbst frei.

Kon­struk­ti­ve Ele­men­te ord­nen auf den ers­ten Blick das Bild, das aber zugleich wie­der frei wird, da Struk­tu­ren sich netz­ar­tig, also wie im unsicht­ba­ren web, far­big über das gan­ze Bild legen. Die kon­struk­ti­ven Aus­rich­tun­gen deu­ten eine Bild­kom­po­si­ti­on an, ver­hin­dern aber das „all over“ eines Jack­son Pol­lock. Die Bil­der haben eine Aus­rich­tung. Den­noch ist es eigent­lich nicht mög­lich, von einem Bild so zu berich­ten, dass eine direk­te und unwi­der­leg­ba­re Aus­sa­ge mög­lich wird.

Immer wie­der liest sich jedes Bild auf eine neue Art und Wei­se. Trotz skrip­tu­ra­ler For­men gibt es nir­gend­wo eine Ables­bar­keit. Die klei­nen For­men, die sich wie in der Schrift wie­der­ho­len zu schei­nen, sind aber nie deckungs­gleich, son­dern immer von eige­ner Indi­vi­dua­li­tät geprägt. In der Anord­nung vie­ler Bild­zei­chen ergibt sich eine Fül­le von Les­bar­kei­ten, die sich der Betrach­ter selbst zu eigen machen muss. Er wird, ganz im Sin­ne von Umber­to Ecos „ope­ra aper­ta“ zum Mit­ge­stal­ter. Die Bil­der laden zu einem lan­gen Dia­log ein, der damit beginnt, dass der Betrach­ter Wer­tig­kei­ten fest­le­gen will, was ihm das Bild aber nicht erlaubt. Man kann Din­ge hin­ein­se­hen, For­men von Abbil­dun­gen erken­nen, die sich aber immer wie­der schnell auflösen.

Der Pro­zess des Malens in unter­schied­li­chen Tech­ni­ken erlaubt den Bil­dern eine Wen­dung zum „non fini­to“, zum erfri­schen­den Unfer­ti­gen, was dar­in grün­det, das der Maler mit mehr Far­be arbei­tet, als der Betrach­ter auf dem fer­ti­gen Bild sehen kann. Dem vol­len Farb­auf­trag folgt die Reduk­ti­on der Farb­mas­se, das Auf­bre­chen der Ober­flä­chen, um einen gro­ßen, quir­len­den far­bi­gen Reich­tum wie in einem Kalei­do­skop auf­zu­zei­gen. Die Bil­der blei­ben nicht vol­ler Stolz in sich selbst ste­hen. Sie ver­fer­ti­gen sich immer wei­ter, sie zei­gen auf, dass der Pro­zess des Wer­dens eigent­lich nie voll­endet ist, dass auch das Bild sich immer wie­der neu sucht und erfin­det. Die­ser Cha­rak­ter garan­tiert jedem Bild auf Papier oder auch auf Lein­wand sei­ne Fri­sche, sei­ne Dia­log­fä­hig­keit, sei­ne Trans­pa­renz eben­so wie jeg­li­che Abkehr vom päd­ago­gi­schen Zei­ge­fin­ger, der die heu­ti­ge inter­na­tio­na­le Kunst wie­der so stark bestimmt. Wedel ent­zieht sich ihr und fußt eher auf der älte­ren Gen­ra­ti­on der Abs­trak­ten der Nach­kriegs­zeit, mit deren Kunst er auf­ge­wach­sen ist.

Da er Male­rei als eine Erwei­te­rung der Erfah­run­gen des Lebens sieht, braucht er kei­ne Theo­rien, kei­ne vor­he­ri­gen Fest­set­zun­gen, um ein Bild zu schaf­fen und auch nicht um es zu erklä­ren. Wedel ist wie so vie­le ande­re Maler, die einen ande­ren Beruf gelernt haben, nicht aka­de­misch dege­ne­riert (ana­log z.B. zu den Malern der Brü­cke, die in Dres­den Archi­tek­tur stu­diert haben, nicht aber Male­rei). Jedes Bild ist ein eige­ner Kos­mos, jedes Bild unter­schei­det sich durch einen Titel. Die­ser wird aller­dings erst nach der Fer­tig­stel­lung hin­zu­ge­fügt. Er ist zur Iden­ti­fi­zie­rung eben­so wirk­sam, wie als ein Ein­stiegs­hin­weis für den Betrach­ter. Nie aber ist er von inhalt­li­cher Aus­sa­ge­kraft, denn Wedel illus­triert kei­ne Bild­ge­dan­ken. Er erfin­det die­se im Pro­zess des Malens. Die end­gül­ti­ge Form ist oft vom Zufall mit dik­tiert, so wie das Leben selbst.